Politische und populistische Drohgebärden gegen trans* Personen
Am vergangenen Montag informierte die Zürcher Gesundheitsdirektion Natalie Rickli (SVP) an einer Medienkonferenz darüber, dass sie keine Geschlechtsangleichungen bei Minderjährigen mehr wünscht. Gleichzeitig forderte sie den Bund dazu auf, ein nationales Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen bei Jugendlichen zu prüfen. Dabei gehe es einzig darum, Kinder und Jugendliche zu schützen.
Gerade wegen den sozialen Medien seien heutzutage junge Menschen gesellschaftlichen Trends früher und stärker ausgesetzt. Dabei rücken auch die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität zunehmend in den Fokus. Das führe – gemäss eben Natalie Rickli dazu, dass immer mehr Jugendliche ihr Geschlecht infrage stellen würden, weil sie «etwas ausprobieren» wollten. «Umso wichtiger ist es, Jugendliche, die ihre eigene Identität noch suchen, vor irreversiblen Eingriffen zu schützen – insbesondere vor Operationen an den Geschlechtsteilen.»
Kaum war die Medienkonferenz in Zürich vorbei, mischte sich auch die SVP ein und machte das geforderte Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen bei Jugendlichen auch im Bundeshaus zum Thema. «Es ist höchste Zeit, dass wir uns in der Politik damit auseinandersetzen», sagte die Zürcher SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel in den Medien. Sie will deshalb in der kommenden Herbstsession einen Vorstoss zum Thema einreichen.
Dabei gehe es ihr «vor allem um die Frage des Jugendschutzes». Dass Jugendliche in der Pubertät oft Mühe mit ihrem Körper bekundeten und verunsichert seien, sei normal. Eine solche «Identitätskrise» mit einem irreversiblen operativen Eingriff zu lösen, könne aber keine Lösung sein. Die Folgen einer solch extremen Entscheidung seien für Jugendliche noch kaum abschätzbar. «Wer dann im Alter von 18 Jahren immer noch der Meinung ist, im falschen Körper zu leben, kann sich immer noch operieren lassen».
Dabei glaubt die SVP-Nationalrätin, dass ihr geplanter Vorstoss bis «weit ins bürgerliche Lager» mitgetragen werde. Und gleichzeitig bestreitet sie, dass es dabei darum gehe, das ethisch sensible Thema politisch auszuschlachten: «Wir brauchen eine möglichst breit getragene Lösung, die den Jugendschutz in den Vordergrund stellt.»
Spätestens jetzt drängt sich die Frage auf, worum es bei diesen Forderungen nach einem Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen bei Jugendlichen eigentlich geht. Natalie Rickli und Nina Fehr Düsel wünschen sich einen «fortführenden Diskurs» dazu. Doch nüchtern betrachtet fordern die beiden SVP-Frauen nichts anderes als ein weiteres populistische Verbot, das für perfekte Schlagzeilen sorgt und für die SVP einmal mehr eine Gelegenheit über den «woken Transgender-Wahn der Linken» lärmen zu können.
Deutliche Worte findet Prof. Dr. Udo Rauchfleisch auf LinkedIn. Die Argumentation für ein Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen bei Jugendlichen verfolge das offensichtliche Ziel, «gerade der Gruppe besonders vulnerabler Jugendlicher das Leben noch schwerer zu machen als es ohnehin für sie schon ist». Als Fachperson, die in Forschung und therapeutischer Praxis seit mehr als 50 Jahren mit trans* Personen arbeite, empfinde er die Verbotsforderungen «als absolut inakzeptabel».
Politische Drohgebärde ohne Grundlage
In einer Mitteilung – unterstützt von weiteren queeren Organisationen – wehrt sich TGNS (Transgender Network Switzerland) gegen diesen «haltlosen, politisch motivierten Angriff». TGNS schreibt: «Die Kompetenz, Umsicht und Qualität in der Betreuung trans* Jugendlicher in Zürich wurde ausführlich durch rechtliche, ethische und medizinische Abklärung belegt und werden nun grundlos öffentlich diskreditiert und in Zweifel gezogen». Daher lehnt TGNS die Verbotsforderung und die damit einhergehende Verunglimpfung der bisherigen Behandlungspraxis und der ausführenden Fachpersonen entschieden ab. «Urteilsfähige Jugendliche, die hormonelle Verhütung nutzen, Lehrverträge abschliessen, Töff fahren und Wein trinken dürfen, haben das Recht, ihr Leben unter Begleitung, Aufklärung und Beratung von kompetenten Erwachsenen aktiv mitzugestalten», schreibt TGNS weiter.
Hohe Standards, niedrige Zahlen
Geschlechtsangleichende medizinische Massnahmen bei Jugendlichen werden bereits nur in sehr wenigen Einzelfällen und unter strengsten medizinischen Standards durchgeführt.
Nur mit therapeutischer Begleitung, nach langen, sorgfältigen Abklärungen der Urteilsfähigkeit und der individuellen Situation und unter Einbezug der Familie, wo immer möglich, kommt es überhaupt zur Empfehlung einer medizinischen Intervention. Die häufigsten Behandlungen sind die Gabe von Pubertätsblockern, die den Jugendlichen mehr Zeit verschaffen und vorschnelle Entscheidungen vermeiden, und nach eingehender Prüfung eine Hormontherapie.
Chirurgische Eingriffe bei Jugendlichen sind äusserst selten und erfolgen meist kurz vor dem 18. Geburtstag. So fanden im Jahr 2024 im Kanton Zürich lediglich vier entsprechende Eingriffe statt, drei davon bei ausserkantonalen Jugendlichen.
«Extrem abwertend»
In einem Interview mit dem Tages Anzeiger findet auch die Politikerin (Die Mitte) und trans Frau Michelle Halbheer klare Worte. Vor allem eine Aussage von Natalie Rickli stösst ihr sauer auf: «Natalie Rickli sagt, aufgrund von gesellschaftlichen Trends stellten immer mehr Jugendliche ihr Geschlecht infrage und wollten etwas ausprobieren». Dies finde sie «extrem abwertend». Die Begründung dazu ist sehr persönlich: «Der Wunsch, dass ich als Mädchen leben will, kam bei mir zum ersten Mal in der Primarschule auf, mit sechs oder sieben Jahren. Es ist nicht so, dass ich dachte, es wäre jetzt noch cool, eine Frau zu sein. Das ist ein tiefsitzendes Gefühl, und ich finde es diskriminierend, wenn dieses als Trend abgetan wird.»
